Im ersten Burenkrieg stolperte die Royal Army von einem Patzer zum nächsten. Nach der Annexion Südafrikas durch die britische Krone 1806 braute sich zunehmend Unmut in der burischen Bevölkerung der ehemals niederländischen Kolonie zusammen, der sich im Dezember 1880 in einer Revolte entlud. Die britische Regierung konnte das natürlich nicht hinnehmen und schickte die mächtigste Militärmaschinerie der Welt in den Kampf gegen südafrikanische Freibauern – erfolglos.
Der Grund dafür war die hoffnungslose Unfähigkeit des starren und verknöcherten Offizierskorps der Royal Army. Viel zu sehr damit beschäftigt Gentlemen zu sein, hatten sie weder aus den Fehlern des Krimkriegs gelernt, noch scherten sie sich um das Wohlergehen ihrer Soldaten. Von den 22‘000 toten Briten waren darum auch 16‘000 Krankheiten erlegen. Ihre Taktiken waren hoffnungslos veraltet und entsprachen nach wie vor den klassischen Konzepten der napoleonischen Kriege: starre Formationen, Salvenfeuer und Direktbeschuss mit Artillerie.
Das Desaster des Krimkriegs hatte auch nicht geholfen, die britische Militärführung von diesen Konzepten zu lösen. Nach wie vor galt: Die Kampfkraft einer Armee maß sich daran, wie schick diese aussah und wie gut sie marschieren konnte. Entsprechend trainierte die Royal Army auch nur 2 Monate im Jahr und verbrachte den Rest mit Paradieren.
Außerdem kam hinzu, dass das Offizierskorps, das ja nun voller Gentlemen war, eine obskure Vorstellung hatte, was die Wertigkeit ihrer Gegner anging. Die Buren, weiße Männer, waren offensichtlich keine Wilden. Entsprechend war es nicht angemessen, sie mit dem gerade eingeführten Maxim Maschinengewehr zu bekämpfen. Gleichzeitig waren sie aber eben nicht sehr ansehnlich in ihrer braunen Arbeitskleidung. Entsprechend war es angebracht, davon auszugehen, dass sie kaum taugliche Kämpfer sein konnten.
Angereichert wurde dieses Überlegenheitsdenken auch noch mit einer sehr altmodischen Vorstellung von Ehre und Galanterie. Krieg wurde oftmals mit Sport verglichen und sollte von einem gewissen Sportsgeist erfüllt sein. Nun war Krieg aber leider kein Cricketspiel. Dennoch verzichtete man darauf, den Soldaten beizubringen, wie sie Schanzungen und andere Defensivstellungen anlegen sollten – denn das war etwas für Feiglinge.
Dummerweise sahen die Buren all dies völlig anders. Weder sahen sie ein, dass sie aufgrund ihrer praktischen Kleidung schlechter kämpfen müssten, noch waren sie an die starren Strukturen der europäischen Heere gebunden. Sie waren eine motivierte Guerillaarmee, welche die altmodischen Musketen gegen die gerade verfügbar gewordenen Gewehre mit gezogenem Lauf getauscht hatte. Mit diesen konnten sie auf große Distanz mit präzisem Feuer die Briten unter Feuer nehmen, welche den Sturmangriff und die Linienformation nach wie vor für eine gute Idee hielten. Die Briten verwendeten ihre Gewehre schlichtweg nach wie vor wie Musketen.
Auch fühlten die Buren sich nicht an die Regeln des Cricket gebunden. Nicht nur wagten sie es, Hinterhalte aus befestigten Stellungen zu legen – sie zogen sich auch regelmäßig zurück. Oder wie Lord Kitchener sagte: „Die Buren sind nicht wie die Sudanesen, die sich zu einem fairen Kampf stellen. Immerzu entfliehen sie auf ihren kleinen Ponies.“
Diese Kombination aus Kampfeswille, einem modernen Verständnis von Kampf, Flexibilität und guter Kenntnis des eigenen Heimlandes führte in Kombination mit den absurden Entscheidungen der britischen Kommandanten zu einem Desaster für die britische Krone. Eine besondere Rolle spielte der Kommandant der britischen Streitkräfte: Sir Redvers Henry Buller, später genannt „Reverse“. Seine „Heldentaten“ werden in einem weiteren Geschichtskrümel eine Rolle spielen.
„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quelle: Dixon, Norman: On the Psychology of Military Incompetence. Pimlico: London, 1994 (1976). S. 52–57.
Bild: Der Wikipedia entnommen: The war in the Transvaal. The Boers‘ method of fighting. The Illustrated London News, 1881. Public Domain.
Zitat von Kitchener frei aus dem Englischen übersetzt.