Es ist ein altes Klischee in Fantasyspielen: Man ist auf Reisen, kommt in ein Dorf und benötigt Unterkunft. Wo kriegt man die? Na klar! Im Gasthaus am Dorfplatz. Es ist aufgeräumt, hat bequeme Zimmer, und das Essen ist schmackhaft. Das Bier ist zudem von höchster Qualität und weithin bekannt.
Die mittelalterliche Realität sah da allerdings anders aus. Im Frühmittelalter war kaum mit Gasthäusern zu rechnen. Man musste ganz auf die Gastfreundschaft der lokalen Bevölkerung setzen. Im Hochmittelalter hingegen waren die Verfügbarkeit und die Qualität ausgesprochen variabel. Erst im Spätmittelalter hat sich ein Netzwerk von Gasthäusern herausgebildet, welches den Reisenden Unterkunft bot.
Zu wissen, dass man auf wichtigen Straßen alle 3–5 Kilometer mit irgendeiner Form von sicherer Unterkunft rechnen konnte, war eine große Erleichterung und ein wahrer Segen für die Reisenden. Oftmals konnte man bestenfalls mit einem Bett im Zimmer des Wirts rechnen. Wer eine warme Mahlzeit wollte, der musste des Öfteren selbst kochen und die Zutaten selbst mitbringen.
Wurde etwas zum Verkauf geboten, dann konnte man sich nicht zwingend aussuchen, was es war. Geschweige denn, dass man auf gute Qualität vertrauen konnte. Einige Gasthäuser kochten allerdings so exzellent, dass Reisende einen Umweg nahmen, um beispielsweise den berühmten Braten zu Essen. Allerdings sollten wir das eher als Beweis für die Mittelmäßigkeit der meisten Etablissements sehen, anstatt als Hinweis auf die gute Kochkunst der Tavernenwirte.
In den Schlafzimmern sah es oftmals nicht besser aus. Immer wieder musste man sich das Bett mit Fremden Teilen oder die Nacht im Massenschlafsaal verbringen. Auch die Decken und Betten waren regelmäßig von menschenunwürdiger Qualität.
Alle paar Kilometer einkehren zu können war dennoch ein Segen, über den sich auch König Erik V. von Dänemark gefreut hätte. Er, ein König, hatte unterwegs nämlich keine Unterkunft gefunden und musste in einer Scheune übernachten. Dort wurde er 1286 unter ungeklärten Umständen ermordet.
110 Jahre später nahm Königin Margarethe seinen Tod zum Anlass, um 113 Gasthäuser zu errichten. Diese erhielten ein königliches Privileg und wurden im Abstand von vier Meilen zueinander erbaut, was den Straßenverkehr in Dänemark sicherer, einfacher und bequemer machte.
„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quelle: Ohler, Norbert: Reisen im Mittelalter. 2. Auflage, Artemis und Winkler: Zürich/Düsseldorf (1986). S. 128–131.