Pen & Paper Rollenspiele sind voll davon: Musiker, Gaukler und andere Schausteller. Im realen Mittelalter waren sie ein bunt gemischter Haufen und hatten sich von den Geistheilern und Zaubersängern des Altertums weiterentwickelt. Die magische Komponente, welche der Musik in der Frühzeit zugesprochen wurde, blieb insofern erhalten, als auch die religiösen Rituale des Mittelalters Musik und Gesang enthielten. Das sakrale Element der Schamanen und Seher verschwand also nicht.
Was sich jedoch veränderte, waren der soziale Stand und das Ansehen der Spielleute. Im Mittelalter verehrte man sie und verachtete sie zugleich. Man liebte ihre Musik, aber man verurteilte die Liederlichkeit des fahrenden Volkes.
Die musiké der Antike
In der griechischen Antike herrschte die Auflassung vor, dass die musiké in der Lage war, Krankheiten und Gebrechen zu heilen oder zumindest zu lindern. Unter musiké fasste man nicht nur den Gesang oder das Musizieren zusammen. Sie beinhaltete die gesamte Bandbreite: Singen, Rezitieren von Poesie, Tanzen und das Spielen der Instrumente war alles Teil davon.
Diese Einheit aus Ton, Wort und Gestik teilte sich später auf in die Prosa (also die Sprache) und die Musik. Wenn man bedenkt, wie auch heute noch Künstler damit experimentieren, verschiedene Kunstformen und Medien zu kombinieren, kann man verstehen, warum das einst als Einheit gesehen wurde. Rapmusik beispielsweise verschmilzt ja nicht umsonst das Gesprochene mit der Musik.
Gerade im Totenkult und in den religiösen Ritualen kam im antiken Griechenland Musik zum Einsatz. Die Musik blieb aber nicht auf das Religiöse beschränkt. Sie wurde genau wie heute zur Unterhaltung genossen, zur Erziehung eingesetzt oder um sich geistig zu fordern. Der magische Zweck der Musik wurde also durch das Bedürfnis nach Ästhetik und Genuss ergänzt.
Der Musiker in der Antike
Musik war zwar für jedermann, aber das tatsächliche Musizieren war harte körperliche Arbeit. Deshalb waren die Musikanten meist Unfreie, die jedoch ein hohes Ansehen bei ihren Zuhörern genossen.
Jeder kennt vielleicht noch das alte Klischee, dass ein „gutbürgerliches Kind“ ein Instrument lernen sollte. Das sahen die Griechen anders. Die Betätigung mit dem Instrument war für den Musikanten. Der freie Bürger beschäftigte sich mit der Musik auf eine theoretische Art, z. B. mathematisch.
Bei den Römern unterhielt der mimus mit Tanz- und Gesangseinlagen. Der ioculator hingegen war der Possenreißer und Schausteller, dessen Name nicht umsonst von „Scherz“ kommt. Er ist der „Gaukler“ der Antike. Zusammen mit dem histrio, also dem Schauspieler, bildeten mimus und ioculator das fahrende Volk.
Man erwartete also eine Menge vom fahrenden Volk. Tanz, Gesang, Musik, Schauspielkunst und vielleicht auch noch weitere Fähigkeiten waren Voraussetzungen, um als Schaustellertruppe seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Spielmann und Skalde: der „germanische“ Musiker
Im Bereich des heutigen Deutschland und Skandinavien war der Musikant genauso wie anderswo wichtig für Magie und Religion. Jedoch war auch die Unterhaltung wichtig. Der gleomân („Freudenmann“) spielte auf der Harfe („gleôbeam“ – Lustholz) zur Erquickung aller.
Genauso wie anderswo kam ihm zudem eine wichtige zusätzliche Aufgabe zu: das Singen der Heldenlieder. Die Sänger von Heldenliedern, die im Fantasy meist als „Barden“ bezeichnet werden, hatten in den nordischen Ländern, genauso wie in Westeuropa oder Griechenland, eine hervorgehobene Stellung unter den Spielleuten.
Der Spielmann und das Spielweib: Fahrende im Mittelalter
Die scharfe Trennung von spezialisierten Unterhaltern verschwand über die Jahrhunderte aus dem Sprachgebrauch. Übrig blieben der Spielmann und die Spielfrau. Ein Spielmann war schlicht jemand, der zur Unterhaltung musiziert, singt oder zum Tanz aufspielt.
Allerdings ist der Begriff sehr breit. Er umfasst auch weiterhin Akrobaten, Taschenspieler und Dichter. Über seine Fähigkeiten sagt der Name auch nichts mehr aus. Bettelmusikanten fallen genauso darunter wie der Menestrel, der als Hofmusiker eines Adligen oder Geistlichen arbeitete und damit auch rechtlich eine höhere Sicherheit erfuhr. Das fahrende Volk war im Allgemeinen nämlich rechtlich kaum geschützt. Wie auch? Dafür muss man Teil einer Gemeinschaft sein, beispielsweise einer Stadt.
Das Lottergesindel treibt sein Unwesen
Zur bunten Mischung des fahrenden Volks kamen ab der Mitte des 13. Jh. auch noch herumvagabundierende Studenten, Kleriker und Klosterschüler hinzu. Der bayerische Landfrieden von 1256 betont, dass „Lotterpfaffen mit langem Haar und Spielleute nicht Teil des Friedens sind“. Frieden heißt hier: Vom Recht geschützt. Sie müssen sich selbst verteidigen. Sie stehen damit nicht unter der Schutzpflicht des Landesherrn, der üblicherweise dafür verantwortlich war, die Kleriker zu schützen.
Sie waren, mit den Worten der bayerischen Landordnung von 1590, nach wie vor allesamt „Schalksnarren, Landfahrer, Singer, Pfeiffer, Spielleute, Reimsprecher und derlei Lottergesindel“.
Über Recht, Stand und Ansehen der Spielleute im Mittelalter schreibe ich ein andermal.
„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quellen: Bachfischer, Margit. Musikanten Gaukler und Vaganten. Spielmannskunst im Mittelalter. Augsburg, 1998.