„Das traditionelle Familienbild“ ist ja immer wieder Teil der politischen Debatten, hier in Deutschland wie auch anderswo. Viele dieser Ideen, welche unsere Ansichten prägen, gehen auf eine lange Tradition der theologischen, aber auch der weltlichen Vordenker zurück, die das normative Gerüst geschaffen haben, das erst seit Kurzem wieder unter einem neuen Licht gesehen wird und von dem wir als Gesellschaft in der heutigen Zeit immer mehr abweichen.
Im Frühmittelalter stand die Ehe noch in einem Spannungsfeld aus althergebrachten Vorstellungen, wie die Familie zu führen sei, und der sich langsam vollziehenden Christianisierung mit neuen Impulsen und alternativen Vorstellungen, die auf der sich ausformenden christlichen Theologie fußten. Diese Spannungen zwischen Alt und Neu habe ich schon einmal kurz angeschnitten, als ich die Ehe bei den Wikingern behandelt habe.
Vier Prämissen der Theologen
Die Menschen im Frühmittelalter sahen die Ehe als die natürliche Form des Daseins. Wer nicht Priester, Mönch oder Nonne war, der sollte eine Ehe führen. Den Theologen galten Adam und Eva hierbei als das erste Ehepaar. Sie waren der Leitmeinung nach bereits im Paradies in den Zustand der Ehe hinein erschaffen worden – nicht erst nach ihrer Verbannung, wie frühere Geschichtswissenschaftler noch kontrovers diskutierten.
Die Ehe galt als gut! Sie ist keine mindere Form des Seins, das in seiner Wertigkeit dem Leben als Nonne oder Mönch untergeordnet wurde. Auch das wurde zeitweise kritisch diskutiert.
Die „natürliche Gemeinschaft der Geschlechter“ ist der Kern der Ehe. An zweiter Stelle steht aber auch das Einhegen der „unreinen“ Sexualität in geordnete Bahnen, um die Fortpflanzung von Gottes Geschöpfen zu ermöglichen. Die Natürlichkeit der Ehe ist aber wichtig. Ginge es nur um Fortpflanzung, dann wäre die Ehe von alten Leuten ja eigentlich nicht mehr eine unzertrennliche, gesegnete Angelegenheit.
Die christliche Ehe ist eine Einehe! Ein Mann, eine Frau. Das erscheint uns heute 1500 Jahre später vermutlich trivial, ist es aber nicht. Noch im 9. Jh. gab es auf dem Gebiet des heutigen Deutschland Vielehen. Zwar war die Einehe als Standard gemeinhin akzeptiert, aber dennoch gibt es allerlei Rechtssprüche und Anweisungen aus dieser Zeit, welche versuchen, die Einehe als einzige legitime Eheform zu verankern.
Das Konkubinat
Ebenfalls in dieser Zeit war auch das Konzept der legitimen Konkubinen noch nicht völlig verschwunden. Vieles war im Fluss, und oftmals wurde die Monogamie wichtiger genommen als die tatsächliche Eheschließung. Im Bußbuch von Halitgar von Cambrai werden zwar Ehemänner, die neben ihrer Ehefrau auch noch eine Konkubine haben, von der Kommunion ausgeschlossen, aber Unverheiratete dürfen eine nichteheliche Partnerin haben – solange es nur eine ist!
Die Keuschheit und die gute Ehe
Die Ehe war nur dann gut in den Augen der Kirche, wenn sie das Ziel hatte, die natürliche Gemeinschaft der Geschlechter mit der Fortpflanzung zu verbinden. Heiratete man nur der Lust wegen, so wurde aus diesem „guten“ Sex etwas Sündiges.
Das Verhindern von außerehelicher Unzucht und das Lenken der Sexualität in geordnete Bahnen – gerade Männer waren hier immer wieder im Fokus der Theologen – waren ein wichtiges Ziel der Ehe.
Die Ehe enthielt nach Meinung von Isidor von Sevilla gleich dreifachen Nutzen. Sie zeugte Nachkommen, erschuf ein Band der Treue und hielt zu dieser Treue an, und sie gab dem Zusammensein eine von Eid und Weihe gestärkte Form. Eben das, was man als das „Sakrament der Ehe“ kennt. Die Nachkommenschaft sollte in der Ehe liebevoll und züchtig erzogen werden. Die Treue bedeutete Verzicht auf Sex außerhalb der Ehe. Der Eid wiederum sollte gewährleisten, dass man nicht aus schnöden Gründen seinen Partner einfach so im Stich ließ.
Etwas zugespitzter formulierte das Hrabanus Maurus. Auch er betonte die Nachkommenschaft, aber auch die Unterstützung und zu guter Letzt die Unfähigkeit der Männer, sich sexuell zu enthalten.
Im nächsten Teil geht es um Ehehindernisse.
„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quelle: Goetz, Hans-Werner. Frauen im frühen Mittelalter. Frauenbild und Frauenleben im Frankenreich. Köln, 1995.