Anmerkung: Das Crowdfunding ist mittlerweile erfolgreich ausgeliefert! Mehr zu Jannasaras Kartentasche findest du hier.
Vor etwas mehr als einer Woche haben wir am Dienstag, dem 19.11. 2019, unser Crowdfunding für Jannasaras Kartentasche auf Game On Tabletop gestartet. Was haben wir im Vorfeld nicht alles recherchiert!
Eine gewisse Erfahrung mit Crowdfunding hatten wir schon durch unsere Patreon-Community. Beispielsweise, wie wichtig transparente Kommunikation ist. Oder wie schnell man Vertrauen verliert, wenn man nicht offen und ehrlich mitteilt, wo man steht. Fast alle unsere Patrons sind bisher geblieben, und wir denken, das liegt auch daran, dass wir mit den guten Nachrichten genauso direkt waren wie mit den Rückschlägen, die es manchmal gab.
Crowdfunding-Kampagnen sind intensiv
Wir haben uns die Kampagnen anderer Crowdfunder angeschaut, sowohl im Allgemeinen als auch speziell auf dem Rollenspielmarkt. Wir haben Blogartikel über Crowdfunding-Kampagnen studiert und Bücher über Crowdfunding gelesen. Sogar Podcasts und Interviews haben wir dazu gefunden, und alles in allem war eine Menge spannender Dinge dabei, die wir bereits im Vorfeld lernen konnten.
Vor allem war dabei immer wieder ein Tipp: Crowdfunding-Kampagnen sind viel Arbeit und innerhalb einer kurzen Zeit sehr intensiv. Wer die Zeit nicht hat, der sollte es lassen. Geld wird einem nicht geschenkt! Man steht nach Abschluss der Kampagne in einer Bringschuld – als Unternehmer, nicht mehr als „Netter Typ im Internet“. Wer sich weder mit Logistik, Steuern, Handelsrecht noch mit Buchhaltung und Fulfilment-Planung auseinandersetzen will, dem raten wir von einer Crowdfunding-Kampagne ab. Was derjenige braucht, ist ein Verlag, der ihn betreut.
Learning by doing
Einiges, was wir lasen, war lehrreich, anderes eher abschreckend. Darunter waren Perlen der Weisheit und völliger Schmarren. Was genau davon nun was ist, das muss man aber erst auf die harte Tour lernen, indem man ins kalte Wasser springt und selbst eine Kampagne ins Rollen bringt. Dass wir darüber etwas schreiben würden, war schon im Vorfeld klar, und eigentlich hatten wir beschlossen, dass wir erst darüber sprechen würden, wenn die Kampagne vorbei ist und erfolgreich war.
Da wussten wir noch nicht, dass sie bereits nach der ersten Woche vollständig finanziert sein würde! Ein vorläufiges Zwischenergebnis zu betrachten, ergibt daher durchaus Sinn. Zumal wir einen Schritt zurück machen und in der Vergangenheit anfangen.
Warum ein Crowdfunding?
Wir sind ein 2-Mann-Team, und dementsprechend sieht auch unsere Kapitaldecke aus. Wir haben genug Rücklagen, um unseren Betrieb grundlegend zu finanzieren und um das Fulfilment eines erfolgreichen Crowdfundings gegen unvorhersehbare Ereignisse abzusichern. Dagegen haben wir nicht das Kapital, um ein Produkt zu produzieren, von dem wir keinerlei Ahnung haben, wie gut es sich verkaufen wird.
Wir haben keine Marktforschungsabteilung. Die hat vermutlich kein Rollenspielverlag in Deutschland. Wir haben aber auch kein Medienteam und keine Community-Manager, etwas, das andere Rollenspielverlage durchaus haben. Wir haben auch keinen Personalpool aus Grafikern. Wir sind ein Grafiker und ein Layouter, die beide in Personalunion auch noch Autoren sind. Der eine mehr, der andere weniger. Die gesamte Arbeit hängt also an uns. Das ist der Teil mit dem „Crowdfunding-Kampagnen brauchen Zeit“.
Die Auflage – das große Risiko
Nun ist es bei der Produktion von Druckwaren aber so, dass der Herstellungspreis ganz massiv von der Druckauflage abhängt. Je mehr wir drucken, desto günstiger wird es pro Einheit. Große Mengen zu produzieren, nützt aber nur dann etwas, wenn man sie auch wieder loswird. Druckt man aber zu wenig und hat mehr Nachfrage, ist es kaum möglich, einfach so nachzudrucken – das wäre dann wieder zu teuer.
Hinzu kommt, dass wir kein Lager haben. Wir sind wohl das Lexikon-Beispiel für „Indie-Entwickler“. Wenn wir 400 Bücher drucken lassen und nur 50 davon verkauft bekommen, dann schlafen wir buchstäblich auf Kartons voller Bücher.
Das Crowdfunding ist für uns daher der einzige Weg, sowohl die nötigen Geldmittel zu bekommen, um unser Risiko in tolerablem Maß zu halten, als auch den Marktbedarf besser einschätzen zu können und unnötige Lagerhaltung zu vermeiden.
Marketing – alles Handarbeit
Dann ist da die Sache mit dem Marketing. Wir haben praktisch kein Werbebudget, und wir haben kein Personal, das sich ums Marketing kümmert. Bei einem Crowdfunding ist es allerdings leichter, Aufmerksamkeit zu bekommen. Mit etwas Glück entsteht, gerade in den sozialen Medien, auch eine Fan-Dynamik. Unterstützer bewerben dann das Produkt, weil sie wollen, dass es finanziert wird, und weil sie ein eigenes Interesse daran haben, dass möglichst viele Bonusziele erreicht werden.
Verlage, die ein eigenes Marketingteam haben und über Lagerräume und Hilfspersonal verfügen oder gar auf etablierte Marken und eine bereits vorhandene Fanszene zurückgreifen können, benötigen natürlich kein Crowdfunding. Sie schätzen aber ebenso die erhöhte Aufmerksamkeit und die „Hype-Dynamik“, die sie bei etablierten Fans erzeugen können.
Mit Crowdfunding macht man es sich leicht – oder?
Hah! Pustekuchen. Crowdfunding ist alles andere als leicht. Damit wir unser Crowdfunding auf Game On Tabletop starten konnten, brauchte es jede Menge Vorarbeit. Wir mussten die Texte für die Crowdfunding-Seite schreiben und lektorieren lassen und sie im Verlauf der Vorbereitung immer wieder überarbeiten. Dazu kamen Unmengen an Grafiken, die alle erstellt werden und mehrfach angepasst werden mussten. Und das ist nur die handwerkliche Seite.
Doppelte Planung!
Ein Businessplan ist Pflicht. Die Auslieferung braucht einen Zeitplan und kompetente Partner. Dazu kommt, dass wir die Planung mehrfach machen mussten: Worst Case und Best Case müssen zusätzlich zur normalen Erwartung vorbereitet werden. Wenn nur 30 Leute ein Buch wollen, dann muss das ja trotzdem gedruckt werden – vermutlich mit Verlust. Wenn plötzlich 400 Leute eines wollen, ist die Logistik eine andere: Lagerhaltung muss eingeplant werden, und die Kommunikation wird komplizierter. Außerdem werden Steuerfragen dringender, die im Worst Case unter ferner liefen abgehakt werden können. Die Buchhaltung kostet selbstredend auch Zeit – oder Geld, wenn man sie auslagert (und um Himmels willen: Buchhaltung muss sein).
Reden, Reden, Reden
Nach dem ganzen Planen, dem Aufsetzen der Crowdfunding-Seite und dem Launch hört es aber nicht auf. Leute haben Fragen, Updates müssen geschrieben werden, Social Media möchte Aufmerksamkeit, und E-Mails werden en masse verschickt, weil ständig irgendwas ist. Wir bieten zudem auch noch Demopakete an, damit sich Leute, die unsicher sind, von der Druckqualität überzeugen können. Diese Demo-Karten müssen wir einpacken und verschicken. Hatte ich schon erwähnt, dass man Zeit braucht?
Man übersieht Dinge, immer!
Es gibt so vieles, woran man anfangs nicht denkt. Und auch wenn man glaubt, man habe an alles gedacht: Irgendwas wird immer übersehen.
Es geht nicht ohne Community
Daher haben wir uns von unseren bereits vorhandenen Unterstützern beraten lassen. Seit einer ganzen Weile haben wir einen Patreon. Nicht einen dieser „Gib mir Geld, weil das nett wäre!“-Patreons. Unser Patreon, den wir auch den „Donnerhaus Kartenclub“ nennen, ist im Kern ein quid pro quo-Konzept.
Wir machen Fantasykarten, die wir auf DriveThruRPG verkaufen, und unsere Patrons bekommen diese Karten über das Patreon-Abo günstiger und oft auch schneller. Außerdem können sie Einfluss auf die Entwicklung der Karten nehmen, mit jeder Menge Abstimmungen und Vorschaubildern. Dazu kommt die eng verzahnte Community, die sich auf unserem Discord gebildet hat.
Einige Patrons zahlen uns etwas mehr als andere und helfen uns dabei, umweltverträglicher zu arbeiten, indem wir mehr CO2-Ausgleich betreiben und in nachhaltige Technik investieren können. Sie alle wissen aber, dass selbst unsere hochstufigen Patreon-Level in einem fairen Verhältnis zu dem stehen, was wir ihnen dafür bieten.
Was du allein machst, ist vermutlich mittelmäßig
Diese Community ist für uns von unschätzbarem Wert, denn Rollenspielmaterialien, die nicht zum Spielen benutzt werden, weinen nachts allein im Schrank (Toy Story lässt grüßen). Eine Community zu haben, auf die wir uns verlassen können, macht uns um ein Vielfaches stärker und leistungsfähiger, als wir es für uns allein wären.
Das ist im Kern das Konzept der Wissenschaft: Wir wissen, dass wir „unsere“ Standpunkte und Ansichten haben. Die sind voreingenommen und einseitig. Das ist schließlich bei jedem so. Erst verschiedene Perspektiven helfen, die eigene Voreingenommenheit zu überwinden oder zu erkennen.
Feedback ist nicht optional
Unsere Community hat darum nicht nur bei der Entwicklung geholfen, damit es überhaupt ein gutes Produkt gab, dessen Druck zu crowdfunden sich lohnte. Im Falle unseres Crowdfundings hatten wir so auch die Möglichkeit, uns Feedback zu unserer Kampagne einzuholen. So konnten wir Formulierungen anpassen, Bonusziele festlegen und sogar einige der Dankeschöns ändern. Auch auf die Preisgestaltung haben unsere Patrons so Einfluss genommen.
Insgesamt waren die ganzen Vorarbeiten zu unserer Crowdfunding-Kampagne also eine Menge Arbeit. Allerdings Arbeit, die sich wirklich gelohnt hat. Wir denken, dass wir eine transparente und faire Kampagne gestalten konnten, bei der jeder Käufer weiß, woran er ist. Ohne das geht es beim Crowdfunding unserer Ansicht nach nicht.
Der Stand der Dinge
Zum Zeitpunkt, wo ich diesen Text hier schreibe, ist unser Crowdfunding bereits ein voller Erfolg! Und was für eine Erleichterung das ist! Man bibbert ja gewaltig, bis die 100% erreicht sind. Verpufft man völlig? Kriegt man sogar blöde Kommentare? Kriecht es ganz langsam vor sich hin? Nachdem man mehrere Monate Planung und viel, viel Arbeitszeit investiert hat, exponiert man sich ja sehr. Klar, Buch und Karten stehen bei uns im Mittelpunkt – aber es ist eben nicht irgend so ein seelenloses Ding, das man halt loswerden will. Es ist unser Buch, und es sind unsere Karten.
Die harte Arbeit hat sich anscheinend jedoch ausgezahlt: Die 100%-Marke hatten wir bereits nach knapp 69 Stunden geknackt. Also weniger als 3 Tage nach dem Start der Kampagne. Jetzt stehen wir bei 196% und haben bereits eine große Zahl an Bonuszielen erreicht. Darunter auch einige, die uns persönlich sehr am Herzen lagen.
Ehrliche Bonusziele sind wichtig
Dass unser Buch mit Hardcovereinband gedruckt werden kann, wurde so nur durch die CF-Kampagne möglich, denn wir hatten vorher absolut keine Ahnung, wie gut das Buch laufen würde. Wir wollten immer Hardcover, aber eine realistische Finanzplanung bedeutete für uns, dass wir das Konzept der Stretchgoals ernst nehmen und nicht zu hoch pokern, sondern lieber offen sagen, was das Minimalprodukt ist, das wir auch definitiv liefern können.
Es hätte ja genauso gut sein können, dass ganz viele Leute das PDF-Paket wollen, ein paar die gedruckten Karten und kaum jemand das Buch. Was hätten wir dann gemacht? Für 10 Leute ein Buch gedruckt? Kann man sicher machen, hätten wir dann auch gemusst. Aber bei unserer Druckerei, die wir vor allem aufgrund ihrer Umweltstandards ausgesucht haben, geht das nicht annähernd so leicht wie bei den Billigdruckern in Osteuropa.
Umweltschutz und Regionalität als Selbstverpflichtung – und als Hürde
Je weniger Wert man beim Druck auf hohe Qualität, umweltfreundliche Produktion, kurze Transportwege und faire Löhne legt, desto einfacher kann man kleine Auflagen drucken – und desto mehr Profit kann man aus einem Druck-Erzeugnis pressen. Osteuropa ist da bei Weitem noch nicht so entsetzlich wie China, wo die absolute Mehrheit aller (vor allem englischen) Rollenspielbücher herkommt, aber wirklich toll ist das auch nicht.
Wir haben hier in Deutschland eine der besten Druckindustrien, die nach einigen der höchsten Umweltstandards arbeitet, selbst wenn man nicht mit dem Blauen Engel druckt, wie wir es tun. Das ist etwas, das wir unterstützenswert finden. Auch wenn wir dafür in den sauren Apfel beißen müssen, mit den Mindestauflagen zu kämpfen. Wenn wir etwas nicht zu den Sozial- und Umweltstandards finanzieren können, die wir wichtig finden, dann können wir es auch nicht anbieten.
Vieles lief bisher anders als erwartet
Tatsächlich hat sich die Kampagne deutlich anders entwickelt, als wir dachten. Wir haben beispielsweise angenommen, dass mehr Leute das Digitalpaket kaufen würden, gefolgt vom großen Kartenbündel und dem Kombipaket aus gedruckten Karten und E-Book.
Dass aber ausgerechnet das Komplettpaket der größte Verkaufsschlager in der Kampagne würde, das hat uns überrascht. Allerdings äußerst positiv! Wir waren uns nämlich unsicher, ob wir es schaffen würden, gut zu erklären, warum das Buch ein echter Mehrwert ist. Die Befürchtung, dass Leute sich denken, „das sind doch nur Karten“, stand immer im Raum. Mittlerweile haben wir aber fast 70 Bücher verkauft, womit wir die Kosten des Drucks decken können.
Gedrucktes kostet Geld – aber Geld ist nicht alles
Aus rein wirtschaftlicher Sicht könnte man meinen, dass es schlecht für uns wäre, wenn viele Kunden die gedruckten Karten haben wollen. Das Buch sogar noch einmal etwas mehr, weil die Auflage beim Buch preislich schlechter skaliert. Kurz: Was wir drucken müssen, das kostet uns Geld, ehe wir es verkaufen können. Das PDF-Paket hingegen kostet uns kein Geld, sondern nur Arbeitszeit (hier könnten wir uns selbst ausbeuten, um zu liefern). Das ist darum quasi „Reingewinn“.
Stimmt nur in unserem Fall nicht: Bis zu einer Auflage von ca. 400 Büchern ist jedes verkaufte Buch ein Segen, denn die Preise pro Buch sinken dabei noch spürbar. Drucken müssen wir so oder so – die Bestellungen sind ja da. D.h. auch wenn ein PDF-Paket „keine Kosten“ erzeugt, finanziert es höchstens das Buch von jemand anderem quer. Dann verkaufen wir aber lieber direkt ein Buch an ihn selbst, an dem dann jemand weiteres Freude hat.
Es ist ja überhaupt nicht unser Ziel, möglichst viel Geld zu verdienen. Sicher, wir brauchen Geld, damit unser kleines Studio überlebt und vielleicht wächst. Aber Geld ist nicht unser Ziel. Wir halten es da genauso wie Walt Disney, der einmal etwas sagte, was seine Nachfolger sich stärker zu Herzen nehmen sollten:
„I don’t make pictures just to make money. I make money to make more pictures.“
„Ich mache keine Filme, allein um Geld zu machen. Ich mache Geld, damit ich mehr Filme machen kann.“
Altmodisch? Crowdfunding, um etwas zu verwirklichen!
Unser Ziel ist es, unseren Kunden ein gutes Produkt anbieten zu können. Dazu gehört, dass wir unsere Preise fair kalkulieren und dass wir gleichermaßen Wert auf Qualität und Umweltschutz legen. Und lieber verkaufen wir ein wenig zu günstig, produzieren etwas zu gut und vergiften die Welt ein kleines bisschen zu wenig – falls es so etwas überhaupt gibt.
Wozu die harte Arbeit, der Verzicht und die Selbstausbeutung, wenn wir am Ende nicht stolz auf unser Produkt sein können und unsere Kunden nicht zufrieden sind? Wir glauben, dass Qualität sich durchaus behaupten kann und dass es sich lohnt, ethisch und vernünftig zu wirtschaften.
Das ist der Grund, warum wir crowdfunden. Nur so können diejenigen, die unser Produkt kaufen, mitentscheiden, ob wir richtigliegen, und uns dabei unterstützen, an diesen Überzeugungen festzuhalten. Dafür sind wir jedem Einzelnen unserer Patrons und jedem unserer Unterstützer unendlich dankbar.