Was sind Dinge eigentlich wert? In meinem Geschichtskrümel zur Arbeitszeit für eine Rüstung erwähnte ich den Gegenwert der Ausrüstung eines fränkischen Ritters in Ochsen. Dabei ist mir aufgefallen, dass vielleicht nicht jeder meiner Leser die Ochsenpreisentwicklung über die Jahrhunderte kennt. Darum die Frage: Was waren Dinge im Mittelalter eigentlich wert?
Die Herleitung von „Wert“ ist gar nicht so leicht. Eine verbreitete Methode, die ich auch im Rollenspiel für sehr nützlich halte, ist die Annäherung über einen Warenkorb, der dann verglichen wird mit der Kaufkraft geleisteter Arbeit. Ich werde in diesem Teil erst einmal erläutern, wie viel ein durchschnittlicher Haushalt eigentlich verdiente und wofür er es ausgab, um im nächsten Krümel dann einige Preisbeispiele zu liefern.
Kontinuität bis zum Spätmittelalter
Generell gilt: Im Früh- und im Hochmittelalter bis ungefähr 1350 (Pest) bestand eine gewisse Kontinuität bei den Verhältnissen des Werts von Dingen. Auch die Jahre 1350 bis kurz nach 1500 weisen eine gewisse Kontinuität auf. Danach bleiben die Verhältnisse wiederum bis 1800 herum ähnlich, bis die Moderne und die Industrialisierung dann alles ändern. Gerade die Tierzucht war im Frühmittelalter noch nicht so stark intensiviert. Ein gutes Kriegspferd war sehr, sehr teuer, denn es musste erst einmal inmitten aller verfügbaren Pferde gefunden werden. Im Spätmittelalter hingegen wurden solche Pferde spezifisch gezüchtet. Problematisch ist dabei, dass die Quellenlage vor 1300 eher schwierig ist, weil deutlich weniger Aufzeichnungen aus Haushalten und Handwerksbetrieben erhalten sind.
Chaotische Währungen, wenig Bargeldgebrauch
Was natürlich nicht hilft, sind die chaotischen Währungsverhältnisse. Standardisiertes Geld (teilweise zumindest) kommt in Westeuropa erst im Hoch- und im Spätmittelalter auf. Gerade Deutschland hatte in diesem Bereich ein gewaltiges Chaos, und dummerweise variierte der Wert des Geldes durch Schwankungen im Edelmetallgehalt auch noch. Kaufleute mussten also immer mithilfe von Münzwaagen überprüfen, was das Geld, welches sie in der Hand hielten, nun eigentlich wert war. Wichtig zu wissen ist auch, dass Geld oftmals nur theoretisch erfasst wurde. Jemand erhielt „7 Mark“ als Lohn, aber das war nur das Zählmaß, er musste nicht zwingend tatsächlich 7 Mark auf die Hand kriegen.
Aber von Kaufleuten abgesehen verdienten die meisten Leute oftmals eine Mischung aus geringen Bargeldbeträgen, Naturalien und Dingen wie Kleidung oder Unterkunft. „Kost und Logis“ ist ein Angestelltenverhältnis, das gerade für Hausangestellte wie Mägde oder Knechte eine Rolle spielte. Ihr ausbezahltes Gehalt war vernachlässigbar gering, aber dafür erhielten sie Unterkunft, Nahrung und Kleidung im Haushalt, in dem sie angestellt waren. Zu Feiertagen erhielten sie oft auch noch ein Trinkgeld. Auch das sogenannte „Badegeld“ spielte für viele Angestellte – auch Handwerker, beispielsweise auf dem Bau – eine Rolle. Wöchentlich oder zweiwöchentlich erhielten sie eine Münze, um das Badehaus zu besuchen.
Verkomplizierend kommt noch hinzu, dass z.B. im Bauhandwerk im Sommer und im Winter unterschiedliche Löhne bezahlt wurden. Das lag daran, dass im Winter natürlich weniger lange gearbeitet werden konnte, weil die Sonne früher unterging.
Beispiel: Ein Handwerker
Ein praktisches Beispiel: Ein Zimmermann verdiente 1582 in Köln 12 Albus pro Tag (Albus = eine kölnische Silbermünze). Dafür konnte er sich 2 Pfund Butter oder 1 bis 2 Brathühner kaufen. Alternativ 6,4 Kilo Roggenkorn. Eine Dienstmagd hingegen verdiente gerademal 264 Albus im Jahr, allerdings erhielt sie Kost & Logis. Wenn man sein Einkommen in Arbeitstage umrechnet, dann hätte der Zimmermann 3180 Albus im Jahr verdient.
So ein Handwerker musste ca. 270 Tage im Jahr arbeiten, um gerade so eine vierköpfige Familie über die Runden zu bringen. Mit 350–400 Arbeitstagen war bereits ein passabel komfortables Leben möglich. Zu dumm, dass diese Arbeitstage von einer Person innerhalb eines Jahres gar nicht erbracht werden können. Glücklicherweise trugen Ehefrauen und Kinder oftmals weitere 50–70 % zum Einkommen des Haushaltes bei. Frauen wurden im Allgemeinen ca. 25–30 % schlechter bezahlt als Männer. Das galt auch für Alte und Behinderte.
Einfache Bauarbeiter hingegen, welche kein Handwerk gelernt hatten, mussten fast 50 % mehr arbeiten, um eine gleich große Familie zu ernähren! Das erklärt auch, warum Kinder oftmals Hilfsarbeiten verrichteten, um das Familieneinkommen aufzubessern. Zumal: 400 Arbeitstage, welche für die Grundbedürfnisse dieser armen Familie nötig waren, sind innerhalb eines Jahres ja auch gar nicht möglich. Entsprechend mussten andere Familienmitglieder zwingend etwas hinzuverdienen.
Miete war im Übrigen nicht ein so wichtiger Faktor wie heute. Zum einen wurde oftmals auf Jahresbasis vermietet, und zum anderen betrugen die Mietkosten im Schnitt zwischen 5 und 20 % des Einkommens. Der größte Ausgabenposten waren die Lebensmittel, auf die gut 70 % der Ausgaben entfielen. Der Rest wurde verwendet, um Brennmaterial, Seife und Kleidung anderes zu erwerben.
Zusammengefasst: Eine Familie gibt ca. 70 % für ihre Ernährung aus. Darunter fallen Brot, Fleisch, Milchprodukte und Getränke. Weitere 10 % entfallen auf die Miete. Die restlichen 20 % werden benötigt, um Kleidung und Brennmaterial zu erwerben und um andere Notwendigkeiten zu bezahlen.
„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quellen:
- Pies, Eike: Löhne und Preise von 1300 bis 2000. Abhängigkeit und Entwicklung über 7 Jahrhunderte, 5. Auflage. Verlag E. & U. Brockhaus: Wuppertal, 2006.
- Tukker, Annelies: Relative Wages in Fifteenth Century York (Master Thesis), 2012.
- Kahnt, Helmut & Knorr, Bernd: Alte Maße, Münzen und Gewichte. Bibliographisches Institut Mannheim: Mannheim, 1987 (1986).
- Bild des Albus: Wikipedia.