Helden kämpfen einer für alle und alle für einen, aber wer füttert eigentlich das Maultier?
Ich brauche sie gar nicht genau zu definieren: Wir alle kennen die typische Heldengruppe. Sie variiert immer ein wenig, sicher. Die Klassiker beim Urspiel D&D sind Krieger, Priester, Magier, Dieb. Selbst wenn es zwei Krieger gäbe oder einen Goblin-Mönch, es änderte sich nicht viel.
Es sind Gruppen wie diese, die in Fantasy-Rollenspielen umherreisen und Abenteuer bestehen. Gruppen die aus Spezialisten für Heldenmut und Abenteuerlust bestehen. Und in den meisten Fällen sind sie allein. Gemeinsam allein. Sie bauen ihre Zelte gemeinsam auf, sie sitzen gemeinsam am Lagerfeuer, sie teilen sich die Nachtwachen und sie kochen gemeinsam. Oder der eine macht dies und der andere das. Oder?
Der moderne Mensch ist kein Abenteurer
Theoretisch ja. Praktisch nicht. Die meisten Gruppen kümmern sich nur wenig um die Alltäglichkeiten des Heldenlebens. Diese Dinge auszuspielen wird (analog zu Powergaming) auch gern als Bauergaming verschrien. Wer schon einmal campen war, der hat eine grobe Vorstellung davon, was es dabei alles zu tun gibt. Im Gegensatz zu unseren Helden benutzen wir dabei aber modernes Campinggerät und fahren mit dem Auto zum Campingplatz. Selbst wenn wir zu Fuß gehen, benutzen wir dazu meistens feste Straßen und trittsichere Wege. Wir feuern unser Feuer mit Spiritus oder Grillanzünder an. Natürlich benutzen wir zum entzünden dabei Feuerzeug. Kurz gesagt: Selbst die wenigen unter uns, die ausgiebige Campingerfahrung haben, machen es sich dabei sehr leicht. Jedenfalls verglichen mit den Helden, die wir spielen.
Groß, schwer und sperrig
Eine Reisegruppe im realen Mittelalter – und ich benutze hier das Mittelalter als Referenz, weil die meisten Fantasy-Rollenspiele sich mehr oder minder an dieser Epoche orientieren – hat allerlei Beschwerlichkeiten zu meistern. Die meisten Probleme mittelalterlicher Reisender würden wir heute eher unter Albtraum abhaken als unter Alltag. Wie Armeen, die ja gleich eine ganze Reisegruppe waren, damit umgingen, kannst du hier nachlesen.
Die Schuhe sind nicht so bequem wie die, welche wir bei Globetrotter kaufen können, und die Kleidung scheuert stärker. Allem voran ist aber alles sperriger, größer und schwerer. Ein Feuerzeug ist winzig und wiegt buchstäblich nichts. Streichhölzer erst recht. Eine Zunderdose und der dazugehörige Feuerstahl hingegen sind schwerer und brauchen mehr Platz. Nicht zu vergessen der Beutel, der irgendwo baumelt und stets im Weg ist.
Für das, was mein Schweizer Offiziersmesser kann, dafür benötigt mein Held eine ganze Ledertasche voll mit Werkzeugen. Sofern er diese denn überhaupt bei sich hat. Sogar das Essen verbraucht mehr Platz, denn Nahrungsmittel, die leicht und kompakt sowie einfach zuzubereiten sind, kosten in einer vormodernen Gesellschaft viel Geld. Normale Nahrungsmittel hingegen brauchen Zeit. Niemand isst zum Abendessen gern eine Schale Mehl. Oder zum Frühstück. Oder zu irgendeiner anderen Mahlzeit. Mehlbrei ist auch nicht viel besser. Zumindest ein Aschenbrot sollte es sein, aber das will erst einmal zubereitet werden. Dazu braucht es eine Schale, um Mehl und Wasser zu vermischen, und danach ein heruntergebranntes Feuer. Das Feuer muss aber auch erst jemand gemacht haben.
So geht das weiter und weiter und weiter. Mit vormoderner Ausrüstung zu reisen und zu lagern, kann ziemlich elendig und zeitraubend sein. Daher bewegten sich die meisten Menschen auch nicht mit der Marschgeschwindigkeit römischer Legionen. Je weiter man sich von der Zivilisation entfernt, desto größer wird der tägliche Arbeitsaufwand und desto mehr schrumpft die zurückgelegte Distanz zusammen.
All dies sind Gründe, warum Helden Trossvolk haben sollten. Leute, die ihnen zuarbeiten, damit die Helden sich darauf konzentrieren können, Helden zu sein, aber auch damit sie überhaupt noch etwas gebacken bekommen. Abgesehen von Aschebrot. All die Dinge des täglichen Lebens kann man ignorieren, wenn man mag, aber es gibt dazu überhaupt keine Notwendigkeit. You can‘t have your cake and eat it, aber man kann sein tägliches Aschebrot haben (oder besseres), ohne es selbst backen zu müssen. Mit Trossvolk im Spiel kann man Wert auf Plausibilität und Realismus legen, ohne die tatsächlichen Protagonisten, also die Spielercharaktere, damit zu belasten.
Helfer machen das Leben einfacher
Obendrein gibt es viele Dinge, die ohne Trossvolk überhaupt nicht möglich sind. Ihr wollt Ersatz für beschädigte Waffen bereithalten, Plündergut transportieren oder besondere Spezialausrüstung mitführen, die nur selten gebraucht wird? Das ist nur schwer möglich, wenn man alles auf dem eigenen Rücken trägt. Selbst wenn die Gruppe ein oder mehrere Packtiere hat, werden die Packtiere selbst zum Problem. Tiere müssen gepflegt und gefüttert werden, und wenn man in der Wildnis rastet, dann reicht es nicht, sich selbst ein Zelt aufzustellen. Auch die Tiere müssen gesichert werden, und sei es gegen Wölfe.
Nach einer gewissen Eingewöhnungsphase verdichten Begleiter, Helfer und Knechte das Spiel. Sie machen es glaubwürdiger, und obendrein sparen sie auch noch Zeit. Spieler verschwenden keine wertvolle Spielzeit mehr darauf, zu überlegen, wer denn jetzt auf das Maultier aufpasst oder was man mit dem vergifteten Gefährten macht. Das können sie fortan an ihr treues Trossvolk delegieren. Diese NSC können auf das Maultier aufpassen, den vergifteten Kameraden pflegen und schon mal eine Suppe kochen, während die Helden das finstere Gewölbe erkunden.
Jeder reisende Ritter hatte früher zahlreiche Gefolgsleute, die für ihn arbeiteten. Wie soll ein Ritter seinen Knappen im Schwertkampf unterweisen, wenn er zu erschöpft ist vom Aufbau des Lagers am Ende eines harten Reisetages? Allein ein Ritter braucht jemanden, der sein Packpferd führt, auf dem sich seine ganze Ausrüstung befindet. Lanzen sind Verbrauchsgüter, weshalb man im Krieg mehrere davon braucht. Dazu eine Axt für den Kampf und eine zweite, um Holz zu hacken, einen Streitkolben und vielleicht einen Streithammer, einen Hammer, um die Rüstung auszubeulen, Zangen und Nieten, um das Kettenhemd zu flicken. Die Liste kann beliebig erweitert werden.
Wenn man unerfahrene Abenteurer spielt, die gerade erst ausgezogen sind, die Welt zu entdecken, dann ergibt es natürlich keinen Sinn, Personal anzuwerben. Sobald man es mit Charakteren zu tun hat, die sich zu Recht als Ritter, Paladin und ganz allgemein als Held bezeichnen, dann ist Personal durchaus sinnvoll. Zudem müssen auch nicht alle davon tatsächlich als Lohnkräfte angeheuert sein. Vielleicht entscheidet sich ein dankbarer NSC, den die Helden vor irgendeinem grausamen Schicksal gerettet haben, dass er sie begleiten will. Vielleicht, weil er ohnehin alles verloren hat. Womöglich findet er es auch schlicht unterstützenswert, was die Helden so tun. Oder er hat sich in eine Heldin oder einen Helden verliebt.
Egal woher sie kommen, völlig gleich, wer sie sind, Gefolgsleute machen den Helden das Leben leichter. Für die Spieler bedeutet das aber vor allem, dass sie mehr Zeit für das Wesentliche haben. Mehr Zeit für Interaktion mit NSC, mehr Zeit, um Pläne zu schmieden, und mehr Zeit, um düstere Verliese und Ruinen zu erkunden. Mitunter auch einfach nur mehr Zeit, um erlittene Wunden auszukurieren. Derjenige, der weiß, dass im eigenen Lager der Wundarzt bereitsteht, ist bestimmt willens, größere Risiken einzugehen. Jemand, dem es anders geht und der weiß, dass er, völlig gleich, wie verwundet er auch sein mag, am Ende des Tages noch aus eigener Kraft ins Tal zurückhumpeln muss, der hält sich zurück. Wir wollen doch aber Helden bei der Arbeit sehen, nicht die Meister der taktischen Zurückhaltung.
Also probiert es doch einfach mal aus, die Abenteuergruppe um Personal zu erweitern. Wälzt lästige Aufgaben auf Charaktere ab, die dafür weniger überqualifiziert sind, als die Helden selbst es wären. Ausserdem erfüllen sie verschiedene und nützliche soziale Funktionen.
Zusammenfassung
Trossvolk erlaubt es den eigentlichen Helden, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ein Held erschlägt Drachen und rettet die Prinzessin. Kaum jemand will wissen, wie er seine Socken wäscht.